WRITE A LETTER

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Dear readers, who accompany INTO THE CRACKS!

Since this text is a very personal one, you will find it as well in the German original as in English translation.

Seit Anbeginn war das Vorhaben, von Wien nach Istanbul zu gehen, für mich mit dem Wunsch verbunden, Briefe zu schreiben. Vielleicht hat das mit der Zeitstruktur zu tun, die dem Gehen eigen ist: man gibt der Zeit Raum, sich zu entfalten. Vorausgegangene große Wanderungen haben wohl deshalb lang verloren geglaubte, verschüttete Erinnerungen wieder in mein Bewusstsein gespült. Das Gehen hat die Vergangenheit hervorgeholt. (In der Sprache ist dieses Wissen augenscheinlich eingelagert, gespeichert).

Der Zeit den Raum zu geben, sich zu entfalten, das tut auch die Briefform. Aber sie erweitert das Feld um ein Gegenüber. Das Innehalten, das sie verlangt, die Stille, die ihre Nahrung ist, die Einkehr bei der- oder demjenigen, an die oder den sie sich richtet, das Eingedenksein mit ihr oder ihm – all das macht sie zu einem sehr menschlichen Reich für mich.

Es gibt eine Handvoll Menschen, die mich schon ein großes Stück Weges begleiten, denen ich mitunter seit geraumer Zeit schreiben will, und an die ich nun meine Briefe richten werde. Alle haben für mich mit INTO THE CRACKS zu tun. Und obwohl ich sie zum Großteil gar nicht kenne – zumindest nicht im landläufigen Sinn dieses Worts -, haben sie mein Leben beeinflusst, manchmal geprägt und sogar verändert. Sie sind Weggefährt*innen. Manche schon jahrelang. Ebenso wie körperlich-„reale“ Bindungen halten sie mich am Leben, begeistern und inspirieren mich – ja, Geister, gute Geister. Manche von ihnen leben noch, andere nicht.

Indem das Gehen der Zeit Raum gibt, entfaltet es unterschiedliche Zeitschichten. Es ist immer auch Gehen mit dem Tod und auf ihn zu und gegen ihn. Dieses letztere ein Gehen im Werner Herzog’schen Sinn. Er hat sich 1974 zu Fuß auf den Weg von München nach Paris gemacht, nachdem er erfahren hat, dass die berühmte und von ihm hoch verehrte Filmkritikerin Lotte Eisner im Sterben liegt. Solang er gehen würde, so seine tiefe Überzeugung, solange würde sie am Leben bleiben. Werner Herzog hat es geschafft, er hat Lotte Eisner in Paris gesprochen. Er ist gegen den Tod angegangen.

Gehen ist die Erfahrung einer Landschaft, einer Gegend. Gehen ist aber auch die Begegnung mit einer inneren Landschaft und findet in einem Raum jenseits von (geographischem) Ort und (messbarer) Zeit statt. Es ist ein Reich für Träumende und für den Austausch zwischen den Lebenden und den Toten.

Diese Briefe erkunden diesen Raum. Sie sind Selbstgespräche, aber ihrem Wesen nach auch immer schon der Versuch eines Gesprächs. Die Eröffnung eines Austauschs, weit über den Kreis der Adressat*innen hinaus. Und vor allem sind sie eine Einladung, auch einen Brief zu schreiben, mir oder wem immer – einer*m  Weggefährt*in im hier beschriebenen Sinn.

Carina Riedl

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    Stephan Werner
    Schwarzspanierstraße 12/3,
    1090 Wien, Austria

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